Digital Leadership: 7 grundlegende Verhaltensweisen für den Erfolg
Michael Kraushaar,
Santiago G. Ponce.
Ein weiterer Tag zu Hause, ein weiterer Tag im Büro. Nach einem Jahr Arbeiten auf Distanz haben wir alle in gewisser Weise unsere Routinen und das Home-Office-Setting zuhause geändert. Als die erste Welle von COVID-19 vor einem Jahr Europa erreichte, haben wir einen Artikel über die potenziellen Auswirkungen der Telearbeit veröffentlicht, über die Bedeutung, die das Mindset und das Verhalten dabei spielen, und über die wichtige Anpassung der Unternehmensprozesse und -strukturen (https://www.marevest.com/publication-telework/).
Seit unserem Artikel zu diesem Thema haben wir weitere Erfahrungen und neue wissenschaftliche Erkenntnisse über den Nutzen und die Herausforderungen der Telearbeit zusammengetragen. Unser Ziel ist es, Ihnen hier einen Leitfaden an die Hand zu geben, wie Sie als Führungskraft das Beste aus dem Homeoffice machen – für sich und Ihr Team.
Die neue Normalität der Arbeit auf Distanz führt langfristig zu erheblichen Veränderungen. Neben den erwarteten Auswirkungen auf das Arbeitsumfeld, die Führungspraktiken und die Organisationskultur (unter anderem) könnte die Telearbeit das Stadt-Land-Gefälle, die Stadtplanung und neue arbeitsbezogene Gesetze erheblich verändern. Aber keine Sorge, so weit werden wir in diesem Artikel nicht gehen. Wichtig ist nur, dass das Arbeiten von zu Hause komplexer ist, als nur neue Software für Videokonferenzen zu nutzen. Diese Erfahrung haben Sie inzwischen wahrscheinlich auch selbst schon gemacht.
Zahlen, Daten, Fakten
Untersuchungen von Parker, Knight und Keller (2020), die im Harvard Business Review (HBR) erschienen sind, legen nahe, dass Manager mit ihrer neuen Rolle zu kämpfen haben und von mehr Unterstützung profitieren würden. Ein effektiveres Management würde das Wohlbefinden und die Leistung der Mitarbeiter beim Arbeiten auf Distanz verbessern. Die Studie fand heraus, dass „etwa 40 Prozent von 215 Vorgesetzten ein geringes Selbstvertrauen in ihre Fähigkeit, Mitarbeiter aus der Ferne zu führen, zum Ausdruck brachten.“ Außerdem „stimmten 38 Prozent der Manager zu, dass Mitarbeiter beim Arbeiten aus dem Home-Office in der Regel schlechtere Leistungen erbringen als diejenigen, die in einem Büro arbeiten, wobei 22 Prozent unsicher waren.“ Darüber hinaus drückte die Studie eine gemeinsame Sorge aus bezüglich der langfristigen Motivation der Mitarbeiter.
Der Führungsstil und die Organisationskultur spielen eine wesentliche Rolle für den Erfolg von Remote-Arbeit. Die oben erwähnte Studie hebt hervor, dass eine Arbeitsumgebung mit geringer Job Autonomie und einem hohen Maß an Misstrauen zu einer insgesamt schlechten Leistung führt.
Es sieht so aus, dass Telearbeit traditionellere Arbeitsformen überflügeln wird. Klar ist, dass die Arbeit auf Distanz wirtschaftliche Vorteile bietet, durch geringere Fixkosten, und auch dadurch, dass Talente aus der ganzen Welt angezogen werden und agilere Praktiken zur Anwendung kommen. Neben diesen Vorteilen kann man sich auch Verbesserungen in den KPIs der Personalabteilung vorstellen, z.B. in der Verringerung der Krankheitstage.
Es geht jedoch nicht nur um die Wirtschaftlichkeit von Remote-Arbeit. Prof. Leslie Willcocks hebt auch die Bedeutung auf das soziale Umfeld hervor, z.B. bezüglich der sozialen Verantwortung, im Hinblick auf die Gesetzgebung sowie Auswirkungen auf die Unternehmenskultur im Allgemeinen. Mit anderen Worten, wie externe Faktoren die Verhältnisse im Unternehmen beeinflussen.
Die HBR-Studie bezog auch die Sichtweise der Mitarbeiter mit ein: „Viele Arbeitnehmer hatten das starke Gefühl, dass Vorgesetzte ihnen nicht zutrauen, die Arbeit ohne Aufsicht zu Hause zu erledigen. 34 Prozent stimmten zu, dass ihre Vorgesetzten einen Mangel an Vertrauen in ihre Arbeitsfähigkeiten zum Ausdruck brachten.“
Die Uhr tickt. Anfang 2020 schien Remote Work noch zeitlich begrenzt zu sein, bis „die Dinge wieder normal werden.“ Jetzt entpuppt sich die Arbeit auf Distanz als eine langfristige Lösung. Während einige Unternehmen bereits beschlossen haben, in kleinere Büros umzuziehen, Fixkosten zu reduzieren und eine agile und ergebnisorientierte Kultur zu fördern, kämpfen andere Unternehmen immer noch damit, Mitarbeiter und Arbeitsbelastung aus der Ferne zu managen. Was ist der Unterschied?
Was den Unterschied ausmacht
Es gibt zwei entscheidende Aspekte, die zu effizienter Remote-Arbeit beitragen: das Mindset der Menschen in der Organisation, individuell und kollektiv, und das Verhalten der Menschen. Wenn wir über das Mindset sprechen, meinen wir: wie wir die Welt sehen, wie wir denken und fühlen, woran wir glauben, welche Werte und Einstellungen wir haben.
Weiter oben haben wir gesehen, dass Mikromanagement schädlich ist für effiziente Remote-Arbeit. Der Grund dafür? Selbstvertrauen, Zutrauen und Vertrauen. Diese Elemente sind wichtig im Mindset der Beteiligten. In der Vergangenheit und auch heute noch verlassen sich Menschen in Organisationen auf hierarchische Strukturen: das Mindset ist dann eher von Kontrolle und Misstrauen geprägt. Vertrauen und Autonomie werden eher vernachlässigt.
Im Gegensatz dazu arbeiten Softwareunternehmen schon seit geraumer Zeit in neuartigen Organisationsformen, die auf der Idee von Agilität, Heterarchie und Selbstorganisation basieren, mit einem ganz anderen Mindset. Ein Beispiel dafür ist Google. Solche Unternehmen sind nicht nur aufgrund ihres Geschäftsmodells erfolgreich, sondern auch aufgrund ihres Mindsets.
Wir werden in anderen Artikeln noch auf die Organisationsmodelle zurückkommen. Hier konzentrieren wir uns darauf, wie wichtig Ihr Mindset für die Dynamik im Unternehmen ist, auch im Home-Office. Nehmen wir an, Sie leiten ein kleines Unternehmen und denken, dass diese Themen nur für große Konzerne Bedeutung haben. Vielleicht sind diese Firmen gerade deshalb heute so groß und erfolgreich, weil es ihnen gelungen ist, eine starke Unternehmenskultur zu etablieren?
Wie wir denken, woran wir glauben, das ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite? Wie sich das Mindset im Verhalten der Menschen im Unternehmen ausdrückt, das ist der Schlüssel zum Erfolg.
Mit gutem Beispiel voran gehen
Das Mindset, über das wir hier sprechen, manifestiert sich in sieben Verhaltensgewohnheiten. Wenn Sie als Führungskraft diese Verhaltensweisen vorleben und im Unternehmen etablieren, schaffen Sie die Grundlage für gegenseitiges Verständnis und Vertrauen, und fördern damit die Kommunikation und Zusammenarbeit Im Unternehmen, auch beim Arbeiten auf Distanz. Der Glaube an die Stärken der Menschen im Unternehmen hat, neben dem Glauben an den eigentlichen Sinn und Zweck des Unternehmens, einen unschätzbaren Wert für die Organisation.
Werfen wir nun einen Blick auf die sieben grundlegenden Verhaltensweisen und das zugrunde liegende Mindset:
- Offenheit
- Akzeptieren Sie Telearbeit als neue Realität und nicht als kurzfristige Maßnahme zur Krisenbewältigung.
- Hören Sie offen ihren Mitarbeitern zu. Nehmen Sie ihre Erfahrungen und Vorschläge ernst und prüfen Sie sie. Setzen Sie mutig neue Ideen um – das kann zunächst auf Probe sein. Was sich bewährt, wird beibehalten. Was nicht funktioniert, wird geändert.
- Offene Kommunikation ist besonders wichtig für die Zusammenarbeit im Team. Denn die Kommunikation ist der Klebstoff, der die Live-Interaktionen im Büro ersetzt.
- Verstärken Sie die offene Kommunikation mit kurzen und effizienten Anrufen. Wie bei den „Stand-up-Meetings“ in SCRUM sollten sie nicht länger als 15 Minuten dauern. In diesen kurzen Gesprächen geht es z.B. um die Geschäftssituation, um bestimmte Chancen und Risiken, um Erwartungen, Ziele, Pläne und Absichten für die Zukunft.
- Telearbeit als neue Realität ist eine große Chance, keine Bedrohung.
- Ergebnisse sind das, was zählt, nicht die Kontrolle und Beobachtung von Aktivitäten.
- Authentizität
- Geben Sie Ihre Bedenken im Hinblick auf die neue Remote Work Realität offen zu und sprechen Sie darüber, wie das Arbeiten auf Distanz am besten funktioniert.
- Stehen Sie ruhig dazu, dass Sie nicht alle Antworten und Lösungen kennen.
- Präsenz
- Konzentration und Aufmerksamkeit in den Video-Calls – schalten Sie das Handy ab und vermeiden Sie alle Ablenkungen. Die begrenzte Kontaktzeit macht es noch wichtiger, dass Sie alles aus der Interaktion herausholen.
- Hören Sie den Mitarbeitern aufmerksam zu – fassen Sie das Gesagte sowie Fragen und Befürchtungen zusammen, um sicherzustellen, dass alle sich verstanden fühlen. Im Home Office haben Ihre Mitarbeiter ja nur wenige Möglichkeiten, Sorgen loszuwerden.
- Achten Sie auf eine hohe Qualität der Interaktionen. Das beinhaltet auch, über nicht arbeitsbezogene Themen zu sprechen. Durch informelle Kommunikation erzeugen Sie mehr Nähe und Bindung. Nutzen Sie auch die Möglichkeiten zu persönlichen Treffen.
- Verantwortung
- Beim Arbeiten auf Distanz hängt der Erfolg in erster Linie “von mir als Führungskraft ab – von meinen Worten und Taten”.
- Je mehr ich Zuverlässigkeit und Engagement vorlebe, desto mehr werden die Mitarbeiter diesem Beispiel folgen.
- Streben Sie „retrospektive Meetings“ an. Bei der SCRUM-Methode wird in einem retrospektiven Meeting die Teamleistung am Ende jedes Meilensteins/Ziels besprochen. Bieten Sie dem Team die Möglichkeit, über drei grundlegende Fragen zu reflektieren:
- Was hat gut funktioniert? (Heben Sie immer den Erfolg hervor!)
- Was hat nicht gut funktioniert? (Konzentrieren Sie sich auf Ihren Einflussbereich – was Sie ändern können)
- Was kann verbessert werden? (Entscheiden Sie sich für ein oder zwei Punkte)
- Drive
- Ersetzen Sie Kontrolle durch Antrieb und Motivation.
- Führen Sie auf der Basis von Zielen/Ergebnissen, anstatt detaillierte Anweisungen zu geben.
- Machen Sie mit Ihren Worten und Taten deutlich, warum Ihnen die Dinge wichtig sind.
- Setzen Sie klare Ziele und sorgen Sie dafür, dass die Mitarbeiter den Sinn und Zweck der Ziele verstehen – für sich selbst und das Unternehmen.
- Fokus
- Erinnern Sie Ihre Mitarbeiter daran, dass sie sich bei der Festlegung ihrer Prioritäten immer an den vereinbarten Zielen orientieren.
- Konzentrieren Sie sich bei Video-Meetings auf die wesentlichen Themen, die Sie im Vorfeld auf einer Liste gesammelt haben. Denn Sie können die Mitarbeiter nicht spontan mit jeder neuen Idee ansprechen.
- Sammeln Sie eine übersichtliche Prioritätenliste für die Tage, an denen Sie Ihr Team von Angesicht zu Angesicht im Büro treffen. So nutzen Sie diese seltene Gelegenheit optimal.
- Wenden Sie die 80/20 Regel und die 70/20/10 “Google” Regel an.
- Verfolgen Sie gemeinsam mit Ihrem Team regelmäßig den Fortschritt! Es hilft, wenn Sie sich auf die kritischen Meilensteine konzentrieren. Sie motivieren die Beteiligten, indem Sie Klarheit und Orientierung geben. Nutzen Sie z.B. Ampeln, Aufgabentafeln und Burndown-Diagramme.
- Disziplin
- Planen und kommunizieren Sie regelmäßige Video-Meetings mit ihrem Team im Voraus. Halten Sie die geplanten Termine ein und kommunizieren eventuelle Änderungen, die manchmal unvermeidlich sind, so früh wie möglich. Beginnen Sie pünktlich und beenden Sie das Gespräch pünktlich.
- Führen Sie mit klaren und realistischen Terminvorgaben, deren Einhaltung oder mögliche Verzögerung regelmäßig besprochen werden.
- Seien Sie Vorbild auch, indem Sie „Inseln für ungestörte Zeit“ im Home Office schaffen, in denen Sie sich voll auf Ihre Prioritäten konzentrieren.
- Sorgen Sie für sich und Ihre Mitarbeiter dafür, dass im Home-Office genügend Zeit bleibt, um Abstand von arbeitsbezogenen Themen zu gewinnen und den Akku wieder aufzuladen.
Die Arbeitsbedingungen ändern sich. Manager und Mitarbeiter profitieren bei den Veränderungen von der Unterstützung durch Spezialisten, um mit dem sich ändernden Umfeld Schritt zu halten. Arbeit auf Distanz im Home-Office ist nur die Spitze des Eisbergs. Erfolgreiches Arbeiten auf Distanz bedeutet einen Wettbewerbsvorteil, anstatt ins Hintertreffen zu geraten. Wenn Sie bei den genannten Verhaltensweisen mit gutem Beispiel vorangehen, erleichtern Sie sich und Ihrem Team den Weg zum Erfolg.
Wir werden in weiteren Publikationen die sieben grundlegenden Verhaltensweisen noch weiter beschreiben. Bleiben Sie dran!